Thursday, October 23, 2014

Synchronisation - der Deutschlandfilter für Hollywood

Es ist schon ein seltsames Ansinnen, das deutsche TV-Sender und die Mehrheit der Zuschauer an den Tag legen. Ich möchte mir eine Serie ansehen, die weder aus Deutschland stammt, noch in Deutschland spielt. Es spielen auch keine Deutschen Schauspieler mit. Warum sollte ich dann erwarten, das mir eben diese Serie in hannoveranischem Einheitsdeutsch präsentiert wird?

Das Problem ist hauptsächlich die Gewohnheit. Man hat die Zuschauer jahrzehntelang an genau diese Umsetzung amerikanischer Serien und Filme gewöhnt. Sie nach so langer Zeit wieder zu entwöhnen, ist kaum möglich. Synchronfassungen unterscheiden sich nicht nur in der Sprache vom Original, sondern auch in der Atmosphäre. Dialoge sind z.B. viel lauter als in der OV, da im Studio aufgenommen. Sie sind aber auch unecht und haben wenig damit zu tun wie Menschen wirklich sprechen.

Als Argument für die Beibehaltung der Synchro-Kultur wird häufig genannt, dass der Zuschauer heute die Wahl hat und sich bei Bedarf auch für die OV entscheiden kann. Das trifft zwar rein theoretisch zu, kommt aber in der Praxis einem Argument gegen Rauchverbote gleich, es müsse ja niemand rauchen der nicht möchte.
Warum?

Erstens werden Filme und auch Serien häufig nicht alleine, sondern in Gesellschaft anderer gesehen. Und da hat in der Regel immer derjenige ein Veto-Recht, der angeblich nicht gut genug englisch versteht um der Handlung zu folgen. Also entscheidet man sich aus Höflichkeit für die Synchronfassung, auch wenn die anderen vielleicht die OV bevorzugen würden.
Zweitens ist es im deutschen Free-TV so gut wie unmöglich, englische Originale von Filmen und Serien zu hören. Das hat auch mit einem Lizenzproblem zu tun: due deutschen TV-Sender werden (als einzige in Europa) unverschlüsselt über Satellit gesendet. Wären US-Serien dort auf englisch zu sehen, würden andere Länder (insbesondere die, wo OV die Regel ist) davon Gebrauch machen. Jedoch haben deutsche Sender nur Lizenzgebühren für Deutschland und max. Östereich entrichtet. Die Synchronisation hat hier also auch die Funktion einer Quasi-Verschlüsselung der deutschen Free-TV-Sender für das europäische Ausland.
Drittens bezieht sich die Wahlmöglichkeit zwischen der Synchronfassung und der OV ausschließlich auf die heutige Zeit. Das entschuldigt aber nicht, dass noch bis ins Jahr   2002 in Deutschland keinerlei Möglichkeit bestand, Serien in der englischen OV sehen zu können. Für Filme hatte man seit den 80ern zumindest die Möglichkeit britischer VHS-Cassetten. Aber Serien gab es nicht auf Video, von Star Trek einmal abgesehen. Also war man als Serienfan sehr wohl jahrzehntelang gezwungen, die Synchronfassung zu sehen oder eben auf seine Lieblingsserien zu verzichten. Also für jemanden wie mich, der viel Zeit in dem USA verbracht hat, die Wahl zwischen Pest und Cholera. Vom Aspekt der stark zeitverzögerten Ausstrahlung in Deutschland ganz zu schweigen.
Viertens ist die Wahlmöglichkeit effektiv nicht echt. Denn kaum ein Zuschauer, der Synchronfassungen gewöhnt ist, sieht für sich einen Grund, warum er es mit der OV versuchen sollte. Erst wenn es keine Synchro gäbe, würde sich die Mehrheit der Zuaschauer mit Originalfassungen beschäftigen und erst dann wären sie in der Lage zu begreifen, wie viel besser das tatsächlich ist.

Immer wieder wird als Argument für Synchronisation auch angeführt, dass man als Nicht-Muttersprachler, selbst mit guten Englischkenntnissen, niemals in der Lage wäre, alle Details und Feinheiten einer OV zu verstehen. Während das grundsätzlich vielleicht zutrifft, bleibt jedoch das viel gewichtigere Gegenargument, das Synchronisation für eben dieses Problem keine Lösung darstellt. Denn erstens ist dann auch ein Synchronregisseur nicht in der Lage, alle diese Feinheiten zu verstehen, und zweitens ist es noch viel weniger möglich, sie dann korrekt und passend in eine andere Sprache, eben der deutschen, zu übertragen - und das gilt selbst für den Idealfall dass der Kollege kompletter Zweisprachler ist und sogar alles verstanden hat (was in den wenigsten Fällen so ist). Beispiele dafür gibt es genug. "Ich geh dann mal runter in die U-Bahn und hole mir ein Sandwich", heißt es zum Beispiel bei "The Nutty Professor" mit Eddie Murphy. Natürlich kann der Begriff "Subway" tatsächlich U-Bahn bedeuten, jedoch war in diesem Fall eindeutig die Sandwichkette "Subway" gemeint, die damals noch nicht ihren Weg nach Deutschland gefunden hatte. Trotzdem hätte ein guter Übersetzer diesen Umstand erkannt und hätte entweder "Subway" stehen lassen sollen, oder zumindest mit "Imbiss" umschreiben können.

Seltsam ist in der Synchronisationswelt auch der Umgang mit Anspielungen auf andere amerikanische TV-Serien und z.B. Moderatoren die in Deutschland unbekannt sind (oder von denen ein Synchronregisseur glaubt sie seien es). V.a. in Sitcoms der 80er und 90er Jahre wurden an deren Stelle vollkommen schamlos deutsche Serien und Moderatoren genannt, die ganz sicher in Amerika niemandem bekannt sind, was selbst normalen deutschen Zuschauern klar sein sollte. Warum spricht ALF plötzlich über Thomas Gottschalk und Professor Brinkmann?? Weil die auch zufälligerweise damals beim ZDF unter Vertrag waren, wo die Serie in Deutschland erstausgeatrahlt wurde. Kostenlose Eigenwerbung also in einer amerikanischen Sitcom, worunter noch nach Jahrzehnten Zuschauer in dem Wiederholungsschleifen zu leiden haben. Ein wenig versteckter ging es zu, wenn eine amerikanische Persönlichkeit (die in Deutschland nicht bekannt war) einfach durch eine andere amerikanische Persönlichkeit mit höherem deutschen Bekanntheitsgrad ersetzt wurde. Die Wirkung ist vielleicht nicht so krass wie im ersten Beispiel, aber die Vorgehensweise ist eigentlich genau so schlimm.

Dabei könnte man auch einfach die im Original genannten Shows und Personen stehen lassen und dadurch die Neugierde der Zuschauer wecken. Schließlich wiederholen sich diese Anspielungen in vielen Sitcoms immer wieder, auch über verschiedene Serien und Staffeln hinweg, so dass sich beim x-ten Mal auch beim durchschnittlichen deutschen Zuschauer festgesetzt haben dürfte wer Walter Chronchite ist und welche Art von Show eine Oprah Winfrey gemacht hat.

In manchen Situationen wird man auch das Gefühl nicht los, dass ein Übersetzer weder besonders viel Ahnung von deutsch, noch von englisch, noch von der eigentlichen Serie oder dem Film zu haben scheint. Beispielsweise gibt es bei ALF eine Szene, wo Raquel Ochmonek einem Pizzaboten ein kleines Trinkgeld von 25 Cent gibt. Der erwidert, dass dies "in manchen Staaten für ein Stadtgespräch" ausreiche. Was ist denn ein Stadtgespräch überhaupt? Erst die OV gibt Aufschluss darüber, was gemeint war: "In some states you can still make a phone call"! Aha, also hätte eine mögliche Übersetzung lauten müssen: "Ortsgespräch". Damit wäre zumindest klar gewesen dass es um einen Telefonanruf geht, was bei "Stadtgespräch" völlig unklar ist.

Oder in "Jackie Brown", wo ein Ort für eine Geldübergabe vereinbart wird. In der deutschen Version heißt es da: "Del Amo Supermarkt, Lebensmittelabteilung." Weit und breit ist aber in den nachfolgenden Szenen kein Supermarkt zu sehen, geschweige denn dessen Lebensmittelabteilung. Das ist auch kein Wunder, denn in der OV ist korrekterweise die Rede von "Del Amo Mall, food court." Vielleicht hätte sich der Übersetzer den Film wenigstens einmal ansehen sollen.

Bei "I Spy" mit Eddie Murphy gibt es eine Art "running gag", dass Männer kein Parfüm tragen, sondern "After Shave" verwenden. Während das an sich noch ganz gut gelöst wurde, ist das eigentliche Thema trotzdem sinnentstellt. Denn im Original heißt es "Men don't use perfume, we put on Cologne!" Es geht hier also um die Pingeligkeit des Hauptcharakters, der darauf besteht für "Cologne" und nicht für "perfume" zu werben. Letztlich ist beides Parfüm, eines für Frauen, das andere für Männer. "After Shave" dagegen ist eindeutig ein anderes Produkt.

Letztlich muss man festhalten, dass es den Deutschen gut tun würde, wenn die Synchronisation abgeschafft würde. Die Englischkenntnisse würden sich deutlich verbessern, so wie das auch in skandinavischen Ländern oder in den Benelux-Ländern zu beobachten ist. Es würde so manches Missverständnis bezüglich der amerikanischen Kultur gar nicht erst aufkommen. Man könnte Kosten einsparen und der Zeitplan bis zu einer deutschen Ausstrahlung einer Serie würde schrumpfen. Zudem hätten auch Zugezogene und Leute wie ich, die längere Zeit im englischsprachigen Ausland verbracht haben, die Möglichkeit, weiterhin ihre Lieblingsserie im Original zu sehen. 


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